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Beispiel 1

Beziehungsorientierte Teamentwicklung

Lesezeit: 3 Minuten

Unser Kunde und sein Anliegen

Unser Kunde ist ein regional tätiges und wirtschaftlich erfolgreiches Familienunternehmen. Unter einer Holding (Gruppe) gibt es mehrere wirtschaftlich unabhängige Gesellschaften in verwandten Geschäftsfeldern. Die Gruppe wird von einem Gesellschafter und einem weiteren Geschäftsführer geleitet. Zwischen zwei Führungskräften der unabhängigen Gesellschaften kommt es immer wieder zu Streit und Konflikten. Wir sollen helfen, diese Konflikte beizulegen und zu lösen. 

Was sich dann im Prozess entfaltet

Konflikte werden oft persönlich gedeutet, so als läge es an den Personen, die nicht miteinander klarkommen. Das ist eine naheliegende Interpretation. So auch hier. Mit einem Bildabgleich laden wir die Protagonisten allerdings ein, auf die unterliegenden Dynamiken zu schauen, die dem Konflikt zugrunde liegen. Und in der Tat zeigt sich, dass beide Unternehmensbereiche mit ganz unterschiedlichen Agenden und Zielsetzungen unterwegs sind. Dass ihre Leiter sich streiten, ist nicht verwunderlich. Sie repräsentieren die Logik des Gesamtsystems. Und das folgt der eines Uhrwerks; ein häufiges Paradigma von Organisationen, das noch aus Zeiten des Taylorismus stammt. Uhren funktionieren, weil einer den Bauplan kennt. Wenn der aber nicht mehr überblickt, was gerade los ist im Unternehmen oder der Umwelt, dann kann die Uhr schnell aus dem Takt kommen. Genau das ist hier passiert. Die Dynamik und Komplexität waren unüberschaubar geworden und neue Vorstellungen von Zusammenarbeit und Steuerung mussten her.

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Selbstorganisation als Wunderwaffe

Der geschäftsführende Gesellschafter meint es gut und schenkt allen Führungskräften daraufhin das Buch „Reinventing Organizations“ von Frederic Laloux. Er versteht es als Impuls, um über Formen Neuer Arbeit bzw. New Work nachzudenken. Die Organisation nimmt das begeistert auf und fängt an, mit diesen Ansätzen zu experimentieren. Es wird von allen als Befreiung von klassischen und vor allem hierarchisch geprägten Organisationsmustern verstanden. Eine Welle von Ausprobieren und Exploration von Formen neuer Arbeit weht durch die Organisation. Überall werden neue Methoden verprobt und Praktiken getestet. Teams finden sich zusammen und experimentieren mit neuen Ansätzen von Selbstorganisation. Der ursprüngliche Konflikt gerät darüber schnell in Vergessenheit bzw. scheint nicht mehr so wichtig. Selbstorganisation und Methoden von New Work bzw. Neuer Arbeit werden als Wunderwaffe gesehen und viel Energie geht in diese Prozesse.

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Die Phase von Ernüchterung

Nach etwa einem Jahr macht sich in der Organisation allerdings Frust breit. Das Uhrwerkmodell ist abgelöst worden von starker Dezentralisierung und gleichzeitiger Selbstorganisation. Allerdings ist vielen Führungskräften nicht mehr klar, wer gerade an was arbeitet, was eigentlich das gemeinsame Bild ist und wie was worauf einzahlt. Abstimmungsbedürfnisse haben enorm zugenommen, was viel Zeit kostet und oft nicht die gewünschte Klarheit und Orientierung bringt. Vereinzelung und Desorientierung machen sich breit. Hinzu kommen wirtschaftliche Herausforderungen, die die Organisation unter Druck setzen. Das Marktumfeld hat sich verändert und der Organisation fällt es schwer, darauf angemessen zu reagieren. Nachdem wir anfänglich für eine Konfliktbegleitung angefragt wurden, möchte der Führungskreis jetzt eine Begleitung in seiner Entwicklung als Leitungsteam.

Beziehungsorientierte Teamentwicklung

In unserer Arbeit mit dem Führungskreis wird schnell deutlich, dass die einzelnen Führungskräfte völlig ungeübt darin sind, sich als Gruppe wahrzunehmen. Der Fokus ihrer Aufmerksamkeit liegt auf ihrer jeweiligen Einzelperspektive i.S.v. „ich denke …“ oder „ich bin der Meinung …“. Auch fällt es den Führungskräften schwer, sich aufeinander zu beziehen. Einzelperspektiven stehen oft einfach unverbunden nebeneinander. Das Empfinden von Vereinzelung ist Ausdruck davon. In der Vergangenheit hat die Uhrwerklogik der Organisation dazu geführt, dass die Führungskräfte in Bereichs- oder Funktionslogiken gedacht haben – ein typisches Muster in Organisationen. Und in der Phase von Selbstorganisation haben sie das Heil eher in Methoden sowie Tools und weniger in übergeordneter Sinnstiftung gesucht – auch das beobachten wir in Organisationen. Allen wird plötzlich klar, wie wenig sie in Beziehung und ein wirkliches Team sind. Betroffenheit macht sich breit.

Fokussierung auf das gemeinsame WIR

Es entsteht Stille im Prozess. Ratlosigkeit zeigt sich. Wir laden die Führungskräfte ein, etwas über sich als Team zu sagen (wie nehme ich uns jetzt wahr), statt ihre Einzelperspektive anzubieten. Dieser Schritt ist für alle herausfordernd. Alle wirken in sich gekehrt, spüren in die Gruppe hinein, blicken in die Runde. Dann beginnen sie zu benennen, wie heterogen sie die Gruppe wahrnehmen, so, als stünde jeder an einer anderen Stelle aber nicht alle beieinander. Sie sagen, wie unabgestimmt sie sich empfinden und wir unklar im Hinblick auf ein gemeinsames Bild. Sie beschreiben sich als eine Gruppe Vereinzelter ohne klare Ausrichtung, in der sich jeder maximal anstrengt und doch in Summe wenig dabei herauskommt. Die Betroffenheit steigt und Frust breitet sich aus. An dieser Stelle beschließt die Gruppe, dass sie an genau diesen Zustand verändern will. Damit nutzt sie ihren Frust als Veränderungsenergie. Und ist sich darin plötzlich sehr einig. 

Gemeinsame und kokreative Sinnstiftung

In der anschließenden Phase achten wir darauf, dass sich die einzelnen Führungskräfte in der Fokussierung ihrer Aufmerksamkeit konsequent auf die Gruppe als Ganzes, das WIR, beziehen. Das führt dazu, dass sie sich in ihren Redebeiträgen zunehmend aufeinander beziehen und Verbindungen herstellen. Dadurch werden allmählich Gemeinsamkeiten deutlich. Über einen längeren Austausch hinweg zeigen sich erste übereinstimmende Bilder, z.B. im Hinblick auf die Zukunft der Organisation und was es braucht, um miteinander erfolgreich zu sein. Dieser Austausch betrifft sowohl konkrete Zukunftsperspektiven als auch praktische Formen des Miteinander, die als hilfreich angesehen werden, um künftig besser miteinander voranzukommen. Der Führungskreis entwickelt gemeinsam und kokreativ ein Zukunftsprogramm, das er konsequent umsetzen will.

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Ergebnisse

Aus einer anfänglichen Konfliktbegleitung zweier Führungskräfte hat sich die Teamentwicklung eines Führungskreises entwickelt. Dabei wird eine grundlegende Vereinzelung der Führungskräfte überwunden, die historisch geprägt war und auch durch Methoden und Tools von Selbstorganisation nicht aufgelöst werden konnte. Erst das konsequente Beziehen aufeinander als Gruppe brachte einen Durchbruch. Als Ergebnis der Teamentwicklung hat sich der Führungskreis entschlossen, einen Leitbildprozess durchzuführen und umzusetzen. Dadurch hat die Organisation einerseits wichtige Orientierung erhalten und andererseits kulturelle Impulse für ihre Weiterentwicklung. Heute hat sie ihre wirtschaftlichen Probleme überwunden. Von Selbstorganisation hat sie sich übrigens nicht verabschiedet. Sie nutzt die Ansätze nur konsequent beziehungsorientiert, sprich mit dem Fokus auf gemeinsame und kokreative Sinnstiftung.

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